Bundesminister Altmaier stellt sich Kritik aus dem Mittelstand
Noch während seiner Sommer-Mittelstandsreise veröffentlichte Bundesminister Peter Altmaier seine Mittelstandsstrategie nachdem er für seine Nationale Industriestrategie 2030 viel Kritik geerntet hatte. Größter Kritikpunkt war die Vernachlässigung des Mittelstandes. Im Rahmen seiner Reise kam er auch bei Bäumers vorbei, um sich die Probleme eines Mittelständlers direkt anzuhören.
Ein Promi im Siegerland
Am Morgen stieg Altmaier in bester Laune aus seiner Limousine und war zu Gast bei Nina Patisson und Jan Henrik Leisse, CEOs der Albrecht Bäumer GmbH & Co.KG. Er zeigte sich offen, nahbar und hörte interessiert zu, was die beiden Geschäftsführer zu sagen hatten. Es ging um die Themen Digitalisierung, Fachkräftemangel und Abbau von Bürokratie.
Mit Unternehmern der neueren Generation ins Gespräch kommen
Bundesminister Altmaier begründete seinen Besuch bei Bäumer damit, dass er mit jungen und vorwärtsstrebenden Unternehmern der neueren Generation ins Gespräch kommen möchte. „Ihre Generation sieht die Dinge mit anderen Augen und aus einer anderen Perspektive. Hier zeigt sich auch, dass die Digitalisierung ein großes Thema für die Zukunftssicherung für alle Unternehmen, egal welcher Größe, ist.“
Herausforderungen der Digitalisierung
Weltweit werden durch bahnbrechende Technologien neue Wertschöpfungsströme generiert. „Das ist ohne Digitalisierung nicht mehr möglich. Die größte Herausforderung ist die Finanzierung. Innovationen verschlingen beträchtliche Summen in der Forschung und Entwicklung. Wir wollen zu den 20% der Maschinenbau-Unternehmen gehören, die den digitalen Wandel schaffen“, so Jan Henrik Leisse. Bei Bäumer stehen zwei neue digitale Produkte im Fokus: Bäumer bietet mit SOPHIE erstmals ein Produktionsleitsystem, das speziell für die schaumstoffverarbeitende Industrie entwickelt wurde. Speziell für den Bäumer-Service wurde B+ Connect entwickelt – eine Plattform zur digitalen Vernetzung.
Jan Henrik Leisse fordert ganz konkret von Altmaier: „Wir brauchen die Unterstützung der Regierung seit gestern und nicht erst übermorgen – Ihre Mittelstandsstrategie muss jetzt schnell umgesetzt werden.“
Ein weiteres Problem zeigt Nina Patisson auf: „Wir haben immense Probleme unseren Mitarbeitern das Thema Digitalisierung näher zu bringen. Viele verstehen nicht, warum das jetzt so wichtig für uns ist und in vielen Bereichen Prio hat.“ Sie hat Altmaier eine deutschlandweite Kommunikationskampagne vorgeschlagen,
was ist Digitalisierung und was das für Unternehmen, Menschen und Arbeitsplätze bedeutet. So wie Arbeitsplätze verschwinden, werden auch neue entstehen. Eine solche Kampagne soll den Menschen die Angst um ihre berufliche Zukunft nehmen.
Die Menschen müssen vielseitiger denken und handeln – nicht nur in den Unternehmen, denn es geht hier um die Gesamtentwicklung des Industriestandortes Deutschland oder haben wir diesen Zug in Deutschland bereits verpasst? Die Schnelllebigkeit der Technologien und deren Implementierung in Innovationen erfordert ein Höchstmaß an Flexibilität von den Mitarbeitern.
Fachkräfte müssen zeitgemäß ausgebildet werden
In anderen Ländern wie beispielsweise China, Amerika und Japan, mit denen deutsche internationale Unternehmen im Wettbewerb stehen, werden bereits Kinder spielerisch auf den digitalen Wandel vorbereitet. Milliarden gehen dort in Forschungsprojekte an denen sich Universitäten beteiligen. Dort entwickelt sich eine Generation, die bereits ein anderes Verständnis für Digitalisierung, Automatisierung und Künstliche Intelligenz hat.
Diese Themen haben bislang keinen Einzug in unsere Schulen und Universitäten gehalten. Ausbildungsinhalte sind nicht an der Praxis orientiert. Dabei geht es nicht nur um die fachliche Kompetenz. Der Mensch muss sich darauf vorbereiten, dass er lebenslang dazulernen muss und die Bereitschaft dafür mitbringt. Die Vielseitigkeit des Lernens sollte mehr gefördert werden. Dazu gehört, dass Menschen nicht nur das traditionelle Bildungswissen mitbringen, sondern vielfältige Erfahrungen sammeln aus handwerklichen, künstlerischen, sozialen oder naturnahen Erlebnissen. So wird das Gehirn darauf trainiert, ständig umzudenken und bekannte Wege zu verlassen. So gelingt eine ideale Vorbereitung auf den digitalen Wandel, der deutlich mehr flexibles Denken erfordert. Digitale Produkte werden nie fertig sein, sondern sich stetig weiterentwickeln. Die Denkmechanismen der Menschen müssen sich daher ebenfalls ändern.
„Hier haben wir viel aufzuholen. Wir stecken viel Energie in die Ausbildung unseres Nachwuchses, denn Fachkräfte sind so gut wie keine zu bekommen“, so Nina Patisson. Bei diesen Themen verweist Altmaier auf seine Kollegin Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung. Er verweist auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, dass Deutschland für internationale Fachkräfte attraktiver macht und die Modernisierung der Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Digitalisierung.
Bürokratie-Abbau als Teil der Mittelstandsstrategie
Für international tätige Unternehmen wie Bäumer, das 85% seines Umsatzes außerhalb des eigenen Landes macht, ist die Bürokratie in Deutschland ein Thema. „Was müssen die Leistungsträger in Deutschland alles leisten und dokumentieren, was andere Länder nicht müssen? Das ist für uns ein echter Wettbewerbsnachteil, denn unsere Kunden müssen letztendlich diese Leistungen mitbezahlen und haben kein Verständnis dafür.“ so Nina Patisson. Bundesminister Altmaier hat diesen wichtigen Punkt in seine Mittelstandsstrategie aufgenommen und macht sich unter anderem dafür stark, dass eine zügige Digitalisierung von Verwaltungsleistungen umgesetzt wird und Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. „Ich gebe Ihnen hier Recht, da der Wettbewerb auch immer globaler wird. Eine der Schwierigkeiten ist aber sicher auch, das mit einem Koalitionspartner umzusetzen, mit dem wir uns abstimmen müssen.“. Die Anträge für Forschungsprojekte auf Europaebene sind extrem aufwändig und kosten viel Zeit. Die ZIM-Projekte des Wirtschaftsministeriums, an denen sich auch Bäumer beteiligt, sind deutlich unkomplizierter und an der Praxis orientiert. Die Zulassungskriterien sind aber dennoch zu eng gesteckt, denn umsatzstärkere Mittelständer werden hier ausgeschlossen und müssen sich dann um Forschungsprojekte der EU bewerben, deren bürokratischer Aufwand für einen Mittelständer nicht zu leisten ist.
Altmaiers Mittelstandsstrategie geht in die richtige Richtung
Die Mittelstandsstrategie geht in die richtige Richtung, doch es bleibt abzuwarten was und vor allem wann sie umgesetzt wird.
Einige dieser Forderungen wie die Steuersenkung werden schon lange ohne Ergebnis diskutiert. Die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags für den Mittelstand kann Altmaier alleine nicht durchsetzen und wurde vom Finanzministerium bislang nicht unterstützt. Für den ländlichen Raum fehlt die Zusage, dass Breitband- und Mobilfunktechnologien neuester Generation schnell umgesetzt werden. Für den Mittelstand ist Bildung und Ausbildung von Fachkräften ein zentrales Thema. Hier müsste die Mittelstandsstrategie um eine Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ergänzt werden.
Im Fazit lässt sich sagen, dass die Mittelstandsstrategie in vielen Punkten genau den Nerv des deutschen Mittelstandes trifft gerade bei Themen wie Steuersenkung, Mittelstandsfinanzierung, Fachkräfte-Gewinnung und Förderung der Digitalisierung. Bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung nun recht zügig voranschreitet.